Rachitis und Tetanie
Auszüge aus Büchern über Avitaminosen:
"Rachitis und Osteomalacie äußern sich in Erweichungsprozessen, Deformationen, Frakturen und Wucherungen (Fersensporn, Überbein). Die früher starke Trennung zwischen Rachitis, Osteomalacie und Osteoporose fällt heute weg. Vitamin D Mangel kann auch zu einem engen Becken führen. Bei Rachitis erleiden auch die Gesichtsknochen eine Wachstumshemmung mit besonderen Deformitäten. Die Frontzähne werden verschoben, die Nasenscheidewand erhält eine Verkrümmung. Zahnungspausen im Säuglingsalter sind ebenfalls ein Symptom der Rachitis. Manchmal kommt es zu sogenannten Schmelzdefekten im zweiten Gebiss. Vitamin D Mangel führt oft zur Veränderung des Blutes. Sehr oft entsteht eine relative Lymphocytose (erhöhte Lymphozytenzahl). Lymphdrüsenschwellungen sind unspezifische Begleiterscheinungen. Bei schwerer Rachitis wird die Haut dünn und durchsichtig, die Gefäße schimmern durch. Die Rachitis ist eine typische Saisonkrankheit, die besonders vom Spätherbst bis zum Frühjahr auftritt.
Eine verstärkte Schweißsekretion besonders am Hinterkopf gehört zu den Frühwarnsymptomen der Rachitis beim Säugling. Sie geht mit einem starken Juckreiz einher. Infolge des ständigen Wetzens fallen die Haare am Hinterkopf aus. Dreh-, Schüttel- und Nickbewegungen des Säuglings weisen ebenfalls auf Vitamin D Mangel hin. Weitere Symptome sind Entwicklungsverzögerung, reizbare Stimmung, wenig Lachen, aber auch übertriebene Euphorie. Die gesamte psychische Entwicklung ist gehemmt. Mit Heilung der Rachitis geht eine auffallende Besserungen der psychischen Faktoren einher. Rachitische Kinder sind oft besonders schmerzempfindlich und bewegen sich nicht gern. Es gibt aber auch Kinder, die mit schweren Deformationen fröhlich herumlaufen. Auch ein übergroßer Schädel kann durch Rachitis entstehen.
Eine Konzentration von unter 8 mg% Calcium im Blutplasma weist auf eine Tetanie hin. Bei Rachitis kann das Blut völlig normale Kalkwerte zeigen. Die Kalkverarmung der Knochen greift nicht aufs Blut über. Jedoch findet man stark gesenkte Phosphatzahlen im Serum, wenn zur Rachitis nicht gleichzeitig Tetanie auftritt. Symptom der Tetanie: Beim Einatmen kann gelegentlich durch eine Verengung des Kehlkopfeingangs ein hochtönendes krächzendes juchendes Geräusch entstehen. Das Ausatmen ist leicht und unhörbar. Nach Hyperventilationsanfällen (durch Atemnot) treten in der Regel auch Eklampsie und Dauerspasmen auf. Todesfälle sind durch Ersticken (Stimmritzenkrampf) und Herzschwäche möglich. Nach vollendeter Heilung kehrt das normale Verhalten zurück.
Dauerspasmen können zum Harn- und Stuhlverhalten führen. Oft wird auch das typische Tetaniegesicht beobachtet: Leicht vorgeschobene Unterlippe, Karpfenmund und Schielen. Kinder mit Tetanie im latenten Stadium haben oft schlechte Laune, sind unruhig und haben ein abweisendes Benehmen. Die Muskelkrämpfe sind sehr schmerzhaft. Im psychischen Verhalten tetanischer Kinder macht sich des Öfteren ein mehr oder weniger ausgesprochener Wandel bemerkbar: wie unmotivierte Unruhe, ängstliches Umherblicken, Schlaflosigkeit und Halluzinationen in der Gesichts- und Gehörsphäre. Die chronische Tetanie kann eine Linsenveränderung verursachen und Grauen Star erzeugen. Tetanie ist bei leichten Formen von Rachitis viel öfter zu beobachten als bei schweren Formen.
Tetanische Manifestationen: 1. Eklampsie, 2. Atmungskrämpfe und 3. Karpopedalspasmen (Krämpfe in den Händen und Füßen). Gut genährte Kinder sind häufiger betroffen als unterernährte Kinder. Die ersten Fälle treten meist im Herbst auf. Im Winter erfolgt ein weiterer Anstieg, der dann im Frühjahr einen steilen Höhepunkt erreicht. Krampfanfälle im Juli oder August sind eher selten. Häufig tritt die Tetanie erstmalig nach einer Erkrankung auf. Ein Krampfanfall bedarf eines besonderen Impulses (z.B. Fieber, Schreck, starke Magenfüllung, psychische Erregung). Tetanie geht mit einer Abnahme des Serumkalkgehaltes einher.
Normaler Säugling Ca = 10,2 mg%
Latente Tetanie Ca = 6,8 mg%
Manifeste Tetanie Ca = 5,9 mg%.
Mit der Heilung setzt eine Rückkehr zu Normalserumwerten ein. Das ist der Beweis dafür, dass die Tetanie eine Stoffwechselstörung ist.
Rachitis geht durch den Kalkmangel mit einer Acidose (Übersäuerung) einher.
Rachitis geht durch den Kalkmangel mit einer Acidose (Übersäuerung) einher.
Plasma-CO2 | Blut-CO2 | ||
Vol. % | Vol % | ||
Normal
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46,2 |
46,7
|
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Rachitis | 38,1 |
40,0
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Tetanie | 41,2 | 43,3 |
Der tetanische Säugling neigt zu Hypoglykämie (Unterzuckerung). Bei der tetanischen Stoffwechselstörung wurde seit langem eine Kalkverarmung des Gesamtorganismus insbesondere des Nervensystems vermutet. Kalkmangel löst Tetanie und Rachitis aus.
Na+K/Ca+Mg=27,6 ist normal
Na+K/Ca+Mg=44,5 ist Tetanie
Die Tetanie kann nur bei einer anacidotischen Stoffwechsellage entstehen. Bedingung: Wahre Alkalose (ph-Wert im Blut über 7,45) oder bei einer Erhöhung der Bicarbonat- oder der Phosphationenkonzentration. Die Tetanie tritt auch durch die Verabreichung von alkalischen Phosphaten auf. Grund ist die Unterdrückung der Calciumionen. Die Stärke der Hypocalcämie (Kalkarmut) ist kein absolut sicherer Maßstab für den Intensitätsgrad des Krankheitsprozesses. Kalium und Phosphat fördern Tetanie, Calcium und Magnesium hemmen sie. Nach psychischen Belastungen, Erwachen aus dem Schlaf, Schreiweinen und Schmerz tritt stets eine Erregbarkeitserhöhung des Atemzentrums auf, welche eine Überventilation verursachen kann. Der Gesamtblutkohlensäuregehalt nimmt ab, die wahre Blutreaktion wird gegen die alkalische Seite verschoben. Dies kann schon nach kurzer Dauer zur Atmungstetanie führen. Die Herztetanie (plötzlicher Herztod) kann auch durch starke Füllung des Magens ausgelöst werden. Zucker wirkt leicht antitetanisch in Stresssituationen. Möglicherweise lösen der Verzehr von Fleisch und Wurst ebenfalls Tetanie aus. Grund ist der Phosphatreichtum des Fleisches.
Rachitis und Tetanie sind nur zwei verschiedene Phasen einer Stoffwechselerkrankung. Tetanische Krämpfe treten fast nur von Oktober bis April auf. Die Rachitis geht der Tetanie oft voraus. Nur bei Vitamin D Mangel kann eine unkompensierte Phosphatstauung und Hypocalcämie (Calciumspiegel im Blutserum unter 2,2 mmol/l bzw. 9 mg/dl) entstehen. In Ausnahmefällen tritt die Tetanie auch bei Kindern auf, die keine erkennbare Rachitis haben. Sie entwickeln dann die Tetanie vor der Rachitis. Die Kalkverarmung kommt dann erst später zum Vorschein. Das gesetzmäßige Zusammentreffen von Rachitis und Tetanie gilt als gesichert. Ohne Wachstum keine Rachitis. Wachstumsimpulse im Frühjahr können bei Vitamin D Mangel die Kalkarmut in Form von Rachitis wieder sichtbar machen.
Besonders beim Umschlagen von kalten frostigen Wetterlagen in den warmen sonnigen Vorfrühling tritt die Tetanie verstärkt auf. Auch zu Beginn der Strahlentherapie kann sich die Tetanie kurzzeitig verstärken. Mit der Zunahme der Sonnenscheindauer wird der Vitamin D-Gehalt der Organismen jedoch erhöht und es kommt zur Abnahme der tetanischen Anfälle. Durch die Erhöhung des Vitamin D Gehaltes werden sowohl Tetanie als auch Rachitis geheilt, ein eventueller Wachstumsstopp wird beendet. Mit Lebertran kann man meist schon in 2 – 5 Wochen Tetanie völlig ausheilen. Noch sicherer und rascher verschwindet die Tetanie unter Einfluss der kurzwelligen ultravioletten Strahlung. In 1 – 3 Wochen schwinden alle Übererregbarkeitssymptome. Eine Verschlimmerung der Tetanie beschränkt sich auf die ersten Tage der Behandlung. Es gelingt auch mit bestrahlter Milch oder bestrahltem Eigelb Tetanie und Rachitis zu heilen. Typische Anzeichen für Tetanie sind Schluckstörungen, Störungen der Zungenbewegung und Vorstrecken der Zunge. Die Prognose für eine unbehandelte Tetanie bei Kindern ist auf Grund der drohenden Gefahr eines plötzlichen Herztodes, Atemstillstandes und der Erstickungsgefahr nur vorsichtig zu stellen. Zum Glück tritt auch ohne sachgemäße Behandlung mit Beginn des Sommerwetters bei häufigem Aufenthalt im Freien eine Spontanheilung ein.
Die Osteomalacie ist die Rachitis des ausgewachsenen Skeletts. Besonders betroffen sind die Beckenknochen. Die Erkrankung beginnt meist mit Schmerz zunächst nur bei Druck, später bei Bewegung, dann aber auch nachts. Die Schmerzen werden als rheumatisch bezeichnet und sind auch im Kreuz- und Lendenbereich besonders häufig. In seltenen Fällen kann auch der Unterkiefer druckempfindlich sein. Später kommt es zum Entengang und zu Schmerzen bei jeder Bewegung. In leichteren Fällen sind die ersten Schritte bei Gehversuchen meist schmerzhafter als die späteren. Besondere Schmerzen ruft Treppensteigen hervor. Die Bewegungseinschränkung beruht nicht nur auf den Knochenveränderungen, sondern auch auf den Veränderungen der Muskeln. So entwickelt sich parallel zu den Schmerzäußerungen eine allgemeine Muskelschwäche. Die Parese (unvollständige Lähmung) der Muskeln des Schultergürtels und der Oberarme sind besondere Merkmale der Osteomalacie.
An- und Abbau von Knochengewebe findet ein ganzes Leben lang statt. Eine mangelhafte Kalkeinlagerung führt beim Ausgewachsenen nur langsam zur Knochenerweichung mit den Folgen der Deformitäten, Verbiegungen und Frakturen. Schwere Knochen- und Beckendeformationen benötigen zu ihrer Ausbildung mehrere Jahre. In schweren Fällen büßen die Knochen ihre Festigkeit ein und zeigen die merkwürdigsten Verbiegungen. Bei Patienten mit schwerer Osteomalacie findet man oft auch Leukocytose (übermäßige Vermehrung der weißen Blutkörperchen) und Myeolocytose (übermäßige Vermehrung der Myeolocyten-Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen). Lymphocytose ist seltener. In ihrem psychischen Verhalten weichen die Patienten mit schwerer Osteomalacie meist auffällig von der Norm ab. Sie sind abweisend, meiden die Gesellschaft, haben Angst vor Berührungen und Schmerzen.
Krämpfe können schon ein Zeichen für Tetanie sein. Auch die Bewegungseinschränkung der Hände ist ein Zeichen von Vitamin D Mangel. Die Krämpfe können Minuten, Stunden oder Tage andauern. Betroffen können auch die langen Rückenmuskeln, die Kaumuskeln, die Augenmuskeln und die Bauchmuskeln sein. Die Herz- und Atmungsmuskulatur ist bei Ausgewachsenen fast nie betroffen. Muskelkrämpfe mit Bewusstseinsstörungen sind recht häufig. Tetanie kann auch zu Halluzinationen und Depressionen führen. Die meisten Krampfanfälle treten im Winter und im zeitigen Frühjahr auf. Beginn der Krankheit: Die Hyperämie des Periosts (Blutansammlung in der Knochenhaut) führt zu Schmerzen. Bei der Osteomalacie lagert sich in das neue Gewebe kein Kalk mehr ab. Anstatt verkalkte Knochen wird unverkalktes Osteoidgewebe eingelagert.
Eine vollständige Heilung ist bei Erwachsenen erst in viel längerer Zeit zu erzielen als bei den stark wachsenden Knochen rachitischer Kinder. Im Blut sind oft Hypocalcämie und Hypophosphatämie erkennbar. Der Serumkalkgehalt gesunder Menschen liegt bei 10,0 mg%, der Phosphorgehalt bei 3,0 m% (bei Kindern 5,0 mg%). Bei schwerer Osteomalacie findet man Werte von Calcium 5,00 mg% und Phosphor von 1,8 mg%. Gelegentlich verläuft die osteomalacische Stoffwechselstörung auch ohne Hypocalcämie allein mit Hypophosphatämie ab. Bei Tetanie findet man dagegen mitunter Kalkspiegel von 3,4 mg%. Der Phosphatspiegel dagegen kann bis 12 mg% erhöht sein. Osteomalacische Störungen treten vor allem bei gut genährten Menschen auf.
Ist die Nahrung arm an Eier, Milch, Butter, Käse und Fleisch oder ist in diesen Lebensmitteln kein Vitamin D, so ist sie nicht vollwertig. Im Sommer kann die Sonnenbestrahlung den Vitamin D-Mangel wett machen, in den Wintermonaten bricht die Krankheit aus. Mit jedem Winter werden dann die Symptome schlimmer, in jedem Sommer tritt wieder ein wenig Besserung ein. Eine Cholesterinverarmung verhindert bzw. erschwert die Bildung von Vitamin D selbst bei ausreichender Sonnenbestrahlung. Verschiedene Psychosen und fortschreitende Demenz führen wir ebenfalls auf einen Lichtmangel zurück. In rachitisfreien Gegenden ist auch oft die Osteomalacie unbekannt.
Infektionen können Rachitis und Osteomalacie auslösen, weil durch Infektionen der Vitaminverbrauch ansteigt. Je stärker der Wachstumsvorgang, desto höher ist der Bedarf an Vitamin D. Frauen sind durch den erhöhten Bedarf während der Schwangerschaft und Stillzeit besonders betroffen. Eine Hormonbehandlung der Osteomalacie ist keine Therapie. Rachitis und Osteomalacie sind Stoffwechselstörungen, die sich hauptsächlich im veränderten Kalk- und Phosphathaushalt äußern. Begleitsymptome sind Stoffwechselverlangsamung und Acitose (Übersäuerung). Die beste und zweckmäßigste Bekämpfung der Osteomalacie beruht auf Darreichung von Vitamin D mit großen Lebertrangaben und direkter Bestrahlung. Damit lässt sich nicht nur eine Besserung, sondern eine vollständige Heilung erzielen.
Die in früheren Zeiten so gefürchtete Osteomalacie ist eine heilbare Erkrankung geworden, der man auch leicht vorbeugen kann. Sowohl die Tetanie der Kinder als auch die Tetanie der Erwachsenen ist nur eine besondere Phase der rachitischen Stoffwechselstörung und damit eine D-Avitaminose. Erste Anzeichen dieser Stoffwechselstörung können sein: subjektives Schmerzempfinden, Muskelschwäche, motorische Schwäche, später langsamer schleppender Gang. Diagnostisch kommen für Osteomalacie hauptsächlich Muskelrheumatismus, Polyneuritis, nervöse Störungen und bei jungen Leuten auch Muskelrückbildung in Betracht. Unbehandelt führt die Osteomalacie zum Siechtum. Die ans Bett gefesselten Kranken gehen oftmals an Lungenentzündung zugrunde.
Plötzliche Todesfälle durch Tetanie bei Erwachsenen sind im Gegensatz zur Tetanie bei Kindern selten. Allerdings kann es im chronischen Verlauf bei Erwachsenen zu Gewebeveränderungen und psychischen Störungen kommen. Die Rachitis (auch Englische Krankheit genannt) ist uralt. Rachitis ist die Unfähigkeit, Kalksalze aufzunehmen. Die Knochen werden weich, dick und kurz. Meist erkranken Kleinkinder mit ein bis zwei Jahren. Frei von Rachitis sind nur die sonnigen Küsten. Die Rachitis beginnt mit starkem Schweißen besonders am Kopf. Der Verlauf wird erschwert durch Blutarmut, Verdauungsstörungen, Übererregbarkeit, zuweilen sogar geistige Störungen. Blühende Rachitis ist gekennzeichnet durch einen Vierkantschädel mit weichem Hinterkopf, Hühnerbrust, schmales Becken, gekrümmte Wirbelsäule oder runden Buckel."