Beriberi
Die Krankheit Beriberi ist eine Vitamin B-Mangelerkrankung. Sie war besonders in Gegenden auffällig, in denen der ungeschälte Reis durch polierten weißen Reis ersetzt wurde. Die B-Vitamine sind im Reishäutchen. Seit sich die Menschen bevorzugt mit Nahrungsmitteln aus Auszugsmehlen ernähren, tritt diese Krankheit mit mehr oder weniger ausgeprägten Symptomen auch bei uns auf.
Auszüge aus Büchern über Avitaminosen:
"Anfangssymptome sind kardiovasculäre Störungen, leichte Ödeme, leichte dyspeptische Beschwerden, später sensibel-motorische Beschwerden. Im weiteren Verlauf gehen die kardiovasculären Störungen zurück, Muskelschwäche, Lähmungen und Ödeme bleiben bestehen. Durch lange Märsche, Bergsteigen, nach Impfungen, Operationen, Infektionskrankheiten und Schwangerschaft können sich die Symptome verschlimmern. Mögliche Beschwerden: schwere Beine, erloschener Kniereflex, Wackeln in den Knien, die Kniegelenke erscheinen gelockert, zuweilen knicken sie beim Gehen ein, Wadenkrämpfe während des Gehens oder in der Nacht bei Veränderung der Lage oder direkt im Schlaf, Kribbeln und Taubheit in der Haut am Unterschenkel, Palpitation (Herzklopfen) und Dyspnoe (Atemlosigkeit) auch bei leichter körperlicher Anstrengung, Völlegefühl im Epigastrium (Magengrube), Blässe, Aufgedunsensein, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Verstopfung oder Durchfall.
Gelähmte Beine brauchen nach Vitamin B-Substitution bis zu 8 Monate, um wieder ganz hergestellt zu sein. Beinschmerzen sind oft ein erstes Zeichen von Vitamin B Mangel. Das Gleichgewichtssystem kann gestört sein. Die Herzfrequenz steigert sich. Der Blutdruck fällt. Ödeme kommen bei Beriberi fast immer vor. Es kann zu motorischen Störungen kommen. Appetit und Ödeme brauchen ungefähr 6-7 Tage nach Vitamin B-Substitution, bevor sich die Beschwerden bessern. Sie bessern sich auch durch Ruhe, der Körper verbraucht dann weniger Vitamine. Menschen, die Alkohol trinken, sind stärker gefährdet.
Beriberi befällt sowohl schlecht als auch gut genährte Personen gleichermaßen. Die Shoshin (eine akute, meist tödliche Herzmuskelinsuffizienz) kommt besonders bei gut genährten Leuten vor. Es ist der schwerste Beriberizustand mit Durst, Übelkeit und Erbrechen, sehr heftige Dyspnoe (Atemlosigkeit), Palpitationen (Herzklopfen), Mattigkeit und eventuell auch Fieber bis 38°C. Bei chronischen Fällen gibt es manchmal leichte Fieberbewegungen um 37,5°C. Das Bewusstsein ist bei Beriberi immer klar. Das Gesicht häufig gedunsen. Fällt der Blutdruck in der stehenden Position gegenüber der liegenden weiter, ist das ein sehr ungünstiges Zeichen. Das Beriberiherz ist sehr labil, es reagiert rasch und ausgiebig auf selbst leichte Reize. Die Schlagzahl vermehrt sich, der Blutdruck schwankt. Reizbare Schwäche ist der treffendste Ausdruck des Beriberiherzens. Die Ursache ist in den Lähmungserscheinungen wahrscheinlich des Zwerchfells und der Atemmuskeln zu suchen. Die Atemfrequenz ist erhöht, der Kranke klagt über starke Atemlosigkeit selbst in der Bettruhe. Wenn der Puls in der Ruhe über 100 zählt, dann ist der Zustand sehr schwer. Es wird beschrieben, dass die Shoshin (auch Herzstoßen) plötzlich auftritt. Das ist nicht ganz richtig, denn oft wird das vorangegangene Stadium nur nicht bemerkt. Bei ausgeprägten kardiovasculären Erscheinungen sollte jede Aufregung und Anstrengung vermieden werden.
Reihenfolge der Sensibilitätstörungen 1. am Fuß- oder Zehenrücken, 2. der Innen- oder Außenseite der Unterschenkel, 3. in den Fingerspitzen meist Volarseite (Handflächenseite), 4. am Unterbauch und 5. in der Umgebung des Mundes. Bei Beriberi kann die Wassersucht durch eine größere Menge Kochsalz leicht hervorgerufen werden. Die Nieren zeigen aber keine Funktionsstörung. Die Kranken berichten von Völlegefühl und Druck in der Magengegend. Verstopfung durch verzögerte Darmbewegungen ist häufig. Bei langanhaltender Lähmung kommt es zur Contraktur (Verkürzung bzw. Schrumpfung eines Gewebes, z.B. eines Muskels, einer Sehne oder der Bänder) z.B. der Füße und Zehen, besonders der Großzehe, seltener der Finger und Hände. Dehnung ist für den Kranken äußerst schmerzhaft. Die Contraktur der Füße ist durch die Verkürzung der Wadenmuskeln bedingt und bleibt nach der Genesung oft noch mehrere Jahre hindurch bestehen und behindert den Gang.
Bei schwerster Lähmung hängen die Hände schlaff herunter. Später sind die Kranken auch nicht mehr in der Lage, den Oberkörper zu heben. Wo Bauch, Zwerchfell und Atemmuskeln betroffen sind, kann es schnell zur Bronchitis und Bronchopneumonie (Lungenentzündung) kommen. Die Kehlkopfmuskeln zeigen oft Lähmungen, die Stimme wird heiser, ja sogar aphonisch (tonlos). Danach trifft es häufig die Gesichtsmuskeln. Später können die Augen nicht mehr vollständig geschlossen werden. Die längsten Nervenbahnen erkranken zuerst, nach Füßen und Beinen, kommen Hände und Arme. Recurrenslähmung (Kehlkopflähmung) oft zuerst linksseitig, weil die Nervenfasern des Nervus recurrens links fast doppelt so lang sind wie rechts. Sie kommt aber auch beidseitig vor.
Manchmal schreitet die Lähmung auch nach Verabreichung von Vitamin B noch fort. Doch bald kommt die Lähmung zum Stillstand und bildet sich zurück. Die Schwäche der Beine heilt in einigen Wochen oder ein paar Monaten aus. Es ist nicht nötig, eine gesonderte Behandlung gegen die Lähmung anzuwenden, solange sie nicht stark ausgeprägt ist. Wenn die Lähmung stark ausgeprägt ist, können 0,1-0,2 g Thyreoidin zur schnelleren Regenerierung der Nervenfasern führen. Jod kann eine ähnliche Wirkung erzielen, da es die Funktion der Schilddrüse steigert. Wichtig ist dann auch die Massage der gelähmten Körperteile. Besonders Cotrakturen (Verkürzungen) müssen massiert werden, auch wenn das oft schmerzhaft für die Kranken ist. Es ist zweckmäßig, dem Kranken erst ein warmes Bad zu geben und ihn dann zu massieren.
Säuglingsberiberi tritt nur bei Brustkindern beriberikranker Mütter auf, aber niemals bei mit Kuhmilch ernährten Säuglingen. Manchmal zeigt der Säugling eher Beriberisymptome als die Mutter. Die Symptome treten meist zwischen 2-4 Lebensmonat auf und sind denen der Erwachsenen fast gleich. Die frühesten sind Appetitmangel und Erbrechen. Oft besteht Obstipation (Verstopfung), gelegentlich aber auch Diarrhöe (Durchfall). Puls und Atmung werden labil frequent. Das Verhältnis Puls zur Atemzahl ist durchschnittlich 2,5:1. Der kleine Patient ist blass, schreit und stöhnt mit heiserer und aphonischer Stimme in kurzen Stößen, bewegt die Arme und Füße manchmal krampfhaft und zeigt kalten Schweiß im Gesicht. Leichte Ödeme am Schienbein, Fußrücken und Gesicht sind häufig, ein hochgradiges Ödem ist selten. Man bemerkt frühzeitig Ptosis (Herabhängen eines oder beider oberen Augenlider) und die dadurch zustande kommende Verengung der Lidspalte. Die Heiserkeit ist das häufigste Symptom der Säuglingsberiberi. Bei schwerer Lähmung wird der kleine Patient ganz aphonisch (stimmlos). Die Prognose ist meist gut, wenn man sofort die Vitamin B-arme Milch der Mutter mit Kuhmilch oder der Milch einer gesunden Amme tauscht oder B-Vitamine gibt. Treten aber schwere kardiovasculäre Störungen auf, können die Kinder innerhalb von 24 Stunden sterben.
Heilung erfolgt durch jede Nahrung mit hinreichend Atmung- und Erhaltungsstoffen (B-Vitaminen) wie roher Möhrensaft, alle grünen Blätter vom Spinat bis zum Klee, alle rohen Knollen und Wurzeln, alle Nüsse (außer Mandeln), roher Milch, Sahne, Hülsenfrüchte und Trockenhefe. Die Schnelligkeit der Heilung ist erstaunlich. Zur Erzeugung des vollen Krankheitsbildes ist aber ein Basenmangel nötig, besonders ein Mangel an Kalk, Kali und organischen Phosphorverbindungen. Es gibt vom typischen Verlauf abweichende Formen, wenn andere wichtige Vitamine und Mineralstoffe fehlen oder Toxine dabei mitwirken."